Studium

Spanien - Universitat Politècnica de València, Campus Gandía

Erfahrungsbericht Erasmus

Anna B., Leisure & Tourism Management, 6. Semester, Universitat Politècnica de València, Sommersemester 2021

Vorbereitung

Ich habe mich nach langem hin- und herüberlegen für ein Auslandssemester an der UPV in Gandía entschieden. Für mich gab es dafür verschiedene Gründe. Zum einen wollte ich unbedingt in ein „warmes“ Land, sehr gerne am Meer und außerdem wollte ich meine Spansichkenntnisse verbessern. Ich möchte direkt am Anfang klarstellen, dass das was ich erwartet hatte, nicht ganz so eingetreten ist.

Im Winter nach Gandía zu gehen bedeutet nicht, dass es warm ist, sondern dass es sehr sehr kalt werden kann. Das musste ich aufgrund meiner eigenen mangelnden Vorbereitung auf die harte Weise lernen. Wirklich warm, so wie man sich das in Spanien vorstellt, wird es erst im Mai. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund ging ich davon aus, das würde schon im März passieren. Außerdem gibt es in den Wohnungen keine Heizung. Mir war also grundsätzlich immer kalt.
Die Wohnungen fühlen sich um einiges kälter an als in Deutschland, das heißt also viele Pullis und dicke Socken einpacken. Ich habe direkt am Anfang in eine Wärmflasche investiert und sie war Gold wert. :) Außerdem kann man von der Vermietung der Erasmuswohnungen (dazu unter dem Punkt „Wohnen“ später mehr) einen „Heater“ bekommen, also eine kleine portable Heizung, und auch dieses Angebot anzunehmen empfehle ich jedem.

Zum zweiten war das mit der spanischen Sprache ein großer Kampf. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich persönlich es *nicht* empfehlen kann in Gandía alle Kurse auf Spanisch zu studieren, wenn man keine großen Vorkenntnisse hat. Ich habe erst an der Uni in Stralsund mit Spanisch angefangen und bin mit einem sehr schlechten B1 Level ins Auslandssemester gegangen, und es war absolut nicht genug. Falls ihr schon in der Schule Spanisch gelernt habt und dieses in Stralsund vertieft habt, eventuell Serien auf Spanisch schaut und (ganz wichtig) versteht und ab und zu ein spanisches Buch lest, dann ist Gandía bestimmt eine tolle Möglichkeit um Spanisch wirklich fließend zu lernen. Für mich war es jedoch sehr schwer in der Uni irgendetwas zu verstehen und in der Prüfungsphase habe ich so gut wie gar nicht geschlafen, weil ich Tag und Nacht nicht nur den Inhalt der Fächer lernen musste, sondern auch die spanischen Vokabeln dazu. Die Kommunikation mit anderen spanischen Studenten und die vielen Gruppenarbeiten waren eine große Herausforderung und ich muss offen und ehrlich zugeben, dass ich sehr oft an der Sprache verzweifelt bin und auch meine Leistungen nicht gut waren, weil ich Spanisch zu schlecht gesprochen und verstanden habe. Für mich war es kein „chill-party“-Semester sondern, hartes büffeln und jeden Tag nacharbeiten für die Uni. Fließend Spanisch spreche ich immer noch nicht, doch ich habe auf jeden Fall riesige Fortschritte gemacht und kann mich in normalen Alltagssituationen gut ausdrücken und alltägliche Gespräche auf Spanisch führen. Doch in den Vorlesungen habe ich bis zum Schluss nur ca. um die 20% verstanden. Ich erläutre das hier so ausführlich, weil ich wünschte, mir hätte vorher jemand gesagt, dass ich es nicht leicht haben werde und mir eventuell doch eher eine Uni mit englischsprachigen Kursen suchen sollte. Hier also meine Erfahrung und der Tipp an euch: Überlegt es euch sehr sehr gut!!!

Die Zeit vor Ort

Aber kommen wir nun endlich zu all den positiven Erfahrungen, von denen ich natürlich auch berichten möchte. Trotz der unerwarteten Challenges die aufkamen habe ich meine Zeit in Gandía *geliebt* und vermisse es jetzt schon schmerzlich. Gandía ist eine kleine und gemütliche Stadt mit nicht allzu viel zu tun, aber dafür direkt am Meer mit einem wunderschönen Traumstrand. Im Winter war er perfekt für lange Spaziergänge und im Sommer haben wir jeden freien Moment dort in der Sonne brutzelnd verbracht. Gandía selbst teilt sich auf in Playa, wo der Campus und Strand sind, und dann das City Center. Normalerweise ist Gandía in ganz Spanien dafür bekannt, die absolute Partymeile zu sein. Besonders gerne kommen Touristen aus Madrid zum Feiern dorthin. Da ich aber während der Coronapandemie mein Auslandssemester gemacht habe, war das für uns leider nicht in der Form möglich. Normalerweise ist es jedoch der „Place-to-be“, wenn man ein Erasmusleben mit vielen Partys und feiern gehen haben möchte. Die Umgebung ist wirklich toll für Wanderausflüge und an der Küste entlang kann man perfekt einen Roadtrip machen und viele kleine hübsche Städte kennenlernen. Die Großstadt Valencia ist mit dem Zug nur 1 Stunde von Gandía entfernt, was sehr praktisch ist. Valencia ist wunderschön und bietet so viele Möglichkeiten, sein Wochenende dort zu verbringen. Ich war oft da und habe die Stadt sehr ins Herz geschlossen.

Die Erasmusgruppe ist, da es ein kleiner Campus ist, auch sehr überschaubar, was einen aber enger zusammenwachsen lässt. Die Erasmusstudenten haben unter sich oft Partys oder Ausflüge organisiert und so kommt das Studentenleben auf keinen Fall zu kurz. Toll war es auch immer donnerstags in die von uns bezeichnete „Studentenbar“ am Hafen zu gehen. Dort bekommt man Studentenrabatt auf die alkoholischen Getränke (Tinto de Verano für 1,80€ und Bier für nur 1€!!!) und irgendwie gehen alle Studenten dahin. Es ist am Donnerstagabend der Hotspot. Außerdem gibt es die Ersamusbar „La Lola“, in der man auch immer viele Studenten getroffen hat, mit guten Preisen und guter Stimmung.

In Playa sind alle Supermärkte sehr gut zu Fuß zu erreichen. Am zentralsten für die meisten Erasmuswohnungen ist der Carrefour. Mein persönlicher Lieblingssupermarkt war jedoch der Mercadona, hinterm Hafen. Tip: Die Pistazien-Mochis sind famos und auf dem Rückweg nach Hause bietet sich eins der wirklich guten Napolitaner vom Mercadona als Wegsnack an. :)

Wer Lust auf Shoppen hat, der kann mit dem Bus zur Mall von Gandía oder in die Einkaufsstraße in den Innenstadtbereich von Gandía fahren. Dort gibt es genug Läden, um sein Geld loszuweren. ;)
Tipp von mir: Mein Lieblingsklamottenladen war „Sweetcase“ in einer kleinen Gasse abgehend der Shoppingpassage und als DM- oder Rossmannersatz bietet sich am ehesten „Druni“ an, denn in Spanien gibt es den typsichen Drogeriemarkt wie in Deutschland tatsächlich nicht.

Auch eine große Empfehlung von mir ist es, anstatt im Supermarkt, in den überall zu findenden Verdurerias oder Fruterias sein Obst und Gemüse zu kaufen. Tolle Preise, super Qualität, Plastikfrei und mit spanischem Flair. Sie haben auch sonntags auf und haben mich das ein oder andere mal gerettet. Des Weiteren gibt es jeden Sonntag einen tollen Markt auf der großen Allee, die jeder kennt, sobald er in Playa wohnt, mit leckerem Obst und Gemüse, tollen Nüssen, Trockenfrüchten und Oliven, Käse und Serranoschinken und natürlich auch Schmuck, Kleidung und vielem mehr. Ich habe diesen Mercado geliebt und es lohnt sich wirklich die Klamottenstände zu durchforsten und günstig ein paar gute Stücke zu ergattern.

Das Leben auf dem Campus findet übrigens größtenteils in der Cafeteria statt. Dort trifft man immer wieder alle möglichen Studenten und Freunde wieder. Meine Empfehlung ist die Kombo aus einem Napolitaner (warm gemacht) und Café con Leche für nur 2,50€.
Was ich außerdem absolut empfehlen kann ist, sich für das Sportprogramm an der UPV anzumelden. Für nur sehr wenig Geld (ich weiß es nicht mehr genau, aber habe so einmalig 30€ im Kopf) kann man das ganze Semester den Fitnessraum nutzen und an allen Kursen teilnehmen. Meine Lieblingskurse und große Empfehlung für alle Sportbegeisterten sind montags „Bodytonic“, dienstags „GAP“ und mittwochs „Core“ bei der Trainerin Vero. Sie ist super nett und hat uns immer an unser Limit gepusht. Wer also Lust auf ein cooles Sportprogramm hat, kommt in Gandía nicht zu kurz. Wirklich schön ist es auch, zum Sonnenuntergang eine Yogasession am Strand einzulegen.

Apropos Sonnenuntergang am Strand, meine Freundesgruppe und ich haben es geliebt zum Sonnenuntergang Picknicks am Strand zu machen. Sehr gut eignet sich dafür die günstige Investition in eins der großen Strandtücher zum drauf sitzen, die es auf dem Mercado am Sonntag zu ergattern gibt und eine der großen wiederverwendbaren Plastiktüten vom Mercadona, um das vorbereitete Essen zum Strand zu bekommen.

Ein weiterer Tipp von mir ist das Aufsuchen des Centro de Salut in Grao de Gandía, falls es einmal gesundheitliche Probleme gibt. Wartet nicht ewig ab, sondern geht direkt. Das Centro ist zu Fuß von den Erasmuswohnungen erreichbar. Man kann einfach über die Urgencias ohne Termin dorthin und bekommt dann einen Arzt zugewiesen, der einen untersucht. Die Ärzte und Arzthelfer dort sind sehr freundlich und hilfsbereit, können jedoch größtenteils wenig Englisch. Doch keine Sorge, irgendwie klappt die Kommunikation doch immer und mir hat es sehr geholfen, einen anderen Erasmusstudenten mitzunehmen, der ein bisschen besser Spanisch spricht. Dort beim Arzt geht alles über die Europäische Krankenversicherung und bei dem ersten Besuch bekommt man eine SIP-Karte, die dann die örtliche Krankenkarte ist.  Also falls mal etwas nicht in Ordnung ist, traut euch wirklich, es ist nur halb so schlimm, und fragt eventuell nach Dr. Aylool. Er spricht fließend Englisch und ist super hilfsbereit. :) Das spanische Gesundheitssystem ist an sich wirklich gut. Ich muss es wissen, ich hatte in meinem Semester eine Blinddarmentzündung, musste operiert werden und verbrachte ein paar Tage im örtlichen Krankenhaus. Ich kann nur positives von dieser Erfahrung berichten.

Wohnen

In Gandía befindet sich der Campus der UPV in dem Ortsteil Playa. Das ist der Teil von Gandía, der direkt am Strand liegt. Dort befinden sich auch alle Erasmuswohnungen, die man zu einem sehr günstigen Preis mieten kann. Ein Zimmer über diese Erasmus-Organisation zu buchen war sehr einfach und würde ich jedem empfehlen. Vor dem Semester kann man über die Website fünf Wunschwohnungen angeben und bekommt kurz vor Beginn von dem Vermieter die Info, in welche Wohnung es letztendlich geht. Macht euch keine Sorgen, man bekommt die Information zur Wohnung *wirklich* erst sehr kurzfristig vor Start des Semesters, aber jegliche Sorge ist unbegründet. Noch ist niemand auf der Straße geblieben. Man muss eben etwas geduldig sein. Mit dem Vermieter hat man generell ein freundschaftliches Verhältnis, teilweise wird man sogar bei der Ankunft vom Bahnhof abgeholt und wenn es Probleme in der Wohnung gibt, kann man sich an ihn wenden. Die Erasmuswohnungen sind WGs in denen man mit anderen Erasmusstudenten zusammen wohnt, was wirklich Spaß macht. Einige Wohnungen sind direkt am Strand, andere näher am Campus. Ich habe mit zwei Mitbewohnern eine Minute vom Campus entfernt gewohnt und nur etwa 7 Minuten vom Strand und war mit der Lage und der Wohnung an sich wirklich glücklich.

Studium

Abgesehen von meinem klitzekleinen Spanischproblem war das Studieren in Gandía eine schöne, wenn auch intensive Erfahrung. Es war am Anfang nicht so einfach in alle Kurse zu kommen, die ich eigentlich hätte wählen sollen, da wegen Corona die Kapazitäten gering waren. Doch da die Kooperation mit der UPV schon so lange läuft, hat Frau Christiansen (LTM-Studienkoordinatorin) einen großen Kurskatalog aus dem sie schnell andere passende Kurse gefunden hat und am Ende hat sich doch noch alles gefügt. Generell gilt die Devise „Das klappt schon alles irgendwie.“ Macht euch nicht unnötig Stress, am Ende haut es immer irgendwie hin. Auch die Ansprechpartner aus dem International Office in Gandía waren sehr hilfreich und konnten andere Kurse empfehlen, die man eventuell noch wählen könnte, oder haben nochmal nachgehakt, ob man in den ein oder anderen Kurs nicht doch noch hineinkommt.

Das Studieren an sich ist in Spanien sehr anders als in Deutschland. Das System dort ist sehr verschult. Man hat fast jeden Tag Aufgaben im dortigen Onlinesystem zu erledigen, die später alle in die Gesamtnote zählen. Außerdem mussten wir oft kleine Vorträge halten oder kreative Projekte ausarbeiten, wie zum Beispiel ein Video zu einem bestimmten Thema drehen. Es gab sehr sehr viele Gruppenarbeiten und ich muss sagen, dass ich diese doch am liebsten mit anderen Erasmusstudenten gemacht habe, was aber eventuell auch in meinem Fall an meinem schlechten Spanischlevel lag. In den meisten, aber nicht allen Fächern, gibt es Zwischenprüfungen, sodass nicht aller Inhalt des Semesters am Ende gelernt werden muss.

Die Professoren an der UPV sind alle wirklich sehr sehr nett und umsichtig. Sie freuen sich sehr, wenn sie sehen, dass sich die Erasmusleute anstrengen und sind immer offen für Fragen. Es hilft manchmal wirklich nicht nur zu schweigen, sondern einfach mal nach dem Unterricht zum Professor zu gehen oder eine E-Mail zu schreiben, wenn es Unklarheiten gibt, was bei mir offensichtlich des Öfteren der Fall war. ;)

Rückblickend kann ich sagen, dass das meiste doch irgendwie geklappt hat, jedoch nur mit sehr viel fleiß und harter Arbeit meinerseits. Es war wirklich ein interessantes Semester, aber für ein ganzes Studium bevorzuge ich doch eher die passivere deutsche Studiumsweise.

Fazit

Ich bin sehr dankbar für meine Zeit in Gandía und kann sagen, dass ich dort jeden einzelnen Tag sehr glücklich gewesen bin und eine Menge Spaß hatte, auch wenn nicht alles nach Plan lief. Falls ihr gut Spanisch sprecht, Lust auf eine kleinere, persönliche Uni und Erasmusgruppe habt und außerdem gerne am Strand seid und gerne feiern geht, dann ist Gandía genau das richtige für euch. Die Großstadt direkt nebenan bietet die Möglichkeit dem Kleinstadtleben zu entfliehen und der Strand gibt Urlaubsvibes „all-year-‘round“. Außerdem kann man auf dem gesamten spanischen Festland herumreisen. Dafür empfehle ich persönlich besonders die App BlablaCar, die in Spanien überraschend oft genutzt wird.
Gandía ist ein toller Ort um sein Auslandssemester zu verbringen und in die spanische Kultur einzutauchen und wenn auch nicht alles so kommt wie erhofft oder geplant, geht es doch immer darum, das meiste aus der Situation herauszuholen und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Bleibt flexibel und spontan im Kopf und denkt daran, jeder Tag zählt, denn das Semester vergeht viel zu schnell!

Also nichts wie los, adios Stralsund, hola Gandía!