Wie misst man die Temperatur eines Motorlagers – berührungslos und ohne optische Sensorik? Diese scheinbar einfache Frage stand am Anfang eines Projekts, das heute als Beispiel für praxisnahe Forschung gilt – und international Beachtung findet.
Auf dem renommierten CIMAC World Congress 2025 in Zürich stellte Prof. Dr. Leander Marquardt von der Hochschule Stralsund das Ergebnis mehrjähriger Entwicklungsarbeit vor: das Überwachungssystem NORISet. Es soll künftig Brände im Maschinenraum verhindern helfen, bevor sie entstehen – zuverlässig, kontaktlos und in Echtzeit. Es ist ein berührungsloses Überwachungssystem für Schiffsmotoren – es misst Temperaturveränderungen an bewegten Motorbaugruppen berührungsloslos und nicht-optisch, indem es magnetische Signale auswertet.
Erste Idee vom Unternehmenspartner
Den Anstoß gab ein Treffen im Oktober 2017: Manfred Grigo, ein eigentlich pensionierter Freiberufler von der Firma NORIS Automation Rostock, brachte einen gedeckten Apfelkuchen mit und stellte Prof. Marquardt und seinem Kollegen, dem Laboringenieur Dr.-Ing. Heiner-Joachim Katke, ein Verfahren vor, mit dem sich Temperaturen kontaktlos und nicht-optisch erfassen lassen. Die Idee ließ die beiden nicht mehr los. „Wir haben überlegt, was man damit machen kann“, sagt Marquardt. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte er einen konkreten Anwendungsfall: die Überwachung von Pleuellagern in großen Schiffsmotoren – einem Bereich, in dem Temperaturanstiege frühzeitig erkannt werden müssen, um Schäden oder Brände zu verhindern.
Potenzial der neuen Methode und Hürden
Der erste Förderantrag bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) wurde jedoch im März 2019 abgelehnt. „Da haben wir das erste Mal eine blutige Nase gekriegt“, erinnert sich Marquardt. Der Gutachter der AiF hielt die Idee schlicht für nicht umsetzbar. Aber Heiner Katke und er gaben nicht auf. „Wir haben das Potenzial von dieser neuen Methode erkannt und an die Innovation dieser Methode, temperaturloser Messung, geglaubt“, betont Katke. Am 28. Februar 2020 kam dann eine Förderzusage durch das Technologie-Beratungs-Institut (TBI). Der Projektstart war für den 1. April angesetzt.
Zur gleichen Zeit wurde mit Robert Brandt, einem ehemaligen Studenten der Hochschule, ein passender wissenschaftlicher Mitarbeiter gefunden. Aber dann kam Corona – und mit der Pandemie auch Verzögerungen. Labore mussten schließen, der Einstieg verschob sich. Das Projekt lief dennoch an, nur eben verspätet und unter erschwerten Bedingungen.
Forschung im eigenen Labor
„Wir haben gewusst, dass unsere Ausstattung eine gute Grundlage ist“, sagt Marquardt. Im Zentrum der Versuche: ein alter Einzylinder-Forschungsmotor, der bereits 2006 im Stralsunder Labor im Zündstrahl-Verfahren mit Wasserstoff (!) betrieben worden war. „Damals war das noch nicht aktuell“, erinnert sich Katke, „aber wir wollten Grundlagenuntersuchungen zum ressourcenschonenden Motorbetrieb durchführen.“ Aber das nur als Nebenstrang.
Für NORISet musste das Pleuel angebohrt und ein Magnet installiert werden. „Und so wurde bei uns real getestet“, summiert Marquardt. Die Idee: Über die Erwärmung des Magneten lässt sich ein Temperaturanstieg im Lager erkennen – ohne direkten Kontakt zum betroffenen Bauteil. Der Einsatz optischer Messtechnik ist aufgrund der ölnebelhaltigen Atmosphäre im Kurbelgehäuse ausgeschlossen. „Wir hatten den Ehrgeiz, das hinzukriegen“, sagt Katke. Er blieb dabei – sogar über seinen offiziellen Ruhestand hinaus. Als Sachbearbeiter wurde er für das sich anschließende Projekt „BoosterMeth“ weiterbeschäftigt. Inzwischen hat Maik Habeck seine Nachfolge als Labor-Ingenieur angetreten.
Eine einfache Idee mit großem Potenzial
„Es gibt andere Methoden, die funktionieren unserer Meinung nach nicht richtig – und es gibt sehr gute Methoden, die aber sehr aufwändig und teuer sind“, erklärt Marquardt. Katke ergänzt: „Wir haben eine preiswerte, neue und innovative Methode.“ NORISet füllt damit eine Lücke – gerade in sicherheitskritischen Maschinenräumen großer Schiffe. Zur Veranschaulichung wurde im Projektverlauf häufig ein reales Beispiel genannt: 2016 kam es auf einem sogenannten Feeder – einem kleinen Containerschiff – zu einem Brand. Ein System wie NORISet hätte hier möglicherweise Schlimmeres verhindert.
Internationale Aufmerksamkeit für Stralsunder Forschung
Auf dem CIMAC-Kongress 2025 präsentierte Marquardt NORISet einem internationalen Publikum. „CIMAC ist sowas wie die Weltmeisterschaft – und es gab keine bösen Nachfragen“, sagt er mit einem Lächeln. Die Fachwelt zeigte sich beeindruckt, das Interesse der Industrie ist geweckt: Eine Firma aus Österreich hat bereits Kontakt aufgenommen.
Sobald das System kommerziell umgesetzt wird, übernimmt NORIS Automation die weitere Entwicklung. „Wir würden natürlich gern sehen, wenn es tatsächlich an Bord oder auf Stationäranlagen eingebaut wird“, sagt Marquardt.
Was ist NORISet?
Ein berührungsloses Überwachungssystem für Schiffsmotoren – es misst Temperaturveränderungen ohne Kabelverbindung oder optische Sensoren, indem es magnetische Signale auswertet.
Warum ist es wichtig?
Echtzeitüberwachung an sicherheitskritischen bewegten Maschinenelementen
Früherkennung von Schäden an Lagern und Kurbelwellen
Kostengünstige Alternative zu aufwändiger Hochtechnologie
Potenzial zur Brandvermeidung an Bord