HyStarter


Wie die Hochschule Stralsund mit ihrer Expertise zur Energiespeicherung den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft an der Ostseeküste voranbringt

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert im HyStarter-Projekt neun Regionen in Deutschland bei der Entwicklung eines Wasserstoffkonzepts und der Herausbildung eines Akteursnetzwerks vor Ort. Die Regionen werden mit Mitteln des Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fachlich und strategisch unterstützt. Wie sich der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft an der Ostseeküste in der hiesigen Region gestaltet und wie stark die Hochschule Stralsund involviert ist, das schildern hier der Leiter des Institutes für Regenerative EnergieSysteme der Hochschule Stralsund (IRES), Prof. Dr. Johannes Gulden, und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Romy Sommer.

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Welche Rolle kann die Erzeugung grünen Wasserstoffs künftig für die regionale Wertschöpfung in einer ländlich geprägten, strukturschwachen, aber flächenstarken Region mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energieerzeugungskapazitäten spielen? Welche Erzeugungspfade sind an verschiedenen Standorten sinnvoll, und welche Rahmenbedingungen müssen dafür erfüllt werden? Wo gibt es Potenziale für Wasserstoffanwendungen im Landkreis Vorpommern-Rügen? Mit diesen Fragen startete die HyStarter-Region Rügen-Stralsund im Dezember 2019 in einen einjährigen Strategieprozess, um eine Vision zu entwickeln, Handlungsfelder zu definieren, ausgewählte Standorte und Technologiekonzepte zu analysieren sowie eine Roadmap bis 2030 zu beschließen, die ein ganzes Bündel an künftig umzusetzenden Maßnahmen beschreibt.

Mit dem Institut für Regenerative EnergieSysteme der Hochschule Stralsund (IRES) gibt es bereits seit mehr als 25 Jahren in der Region Vorpommern-Rügen Expertise und Erfahrungen in der Wasserstofftechnologie – sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. In der HyStarter-Region Rügen-Stralsund steckt die Umsetzung dieser Technologie jedoch noch in den Kinderschuhen.


Ideale Voraussetzungen zur Erzeugung grünen Wasserstoffs

Vorpommern-Rügen ist eine Küstenregion, geprägt durch Hafenwirtschaft, Schiffs- und Bootsbau, Tourismus und Landwirtschaft. Hier, wo es eine einzigartige Naturausstattung mit mehreren Großschutzgebieten gibt und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt, sind Potenziale vorhanden, eine emissionsfreie Mobilität auf dem Wasser als auch landseitig zu forcieren. Aufgrund der geographischen Lage ist die Region ein wichtiger Erzeugungsstandort erneuerbarer Energien. Hohe Kapazitäten installierter Windkraftleistung bieten ideale Voraussetzungen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff.

Derzeit befinden sich im Landkreis 230 Windenergieanlagen (WEA) in 67 Windparks mit einer installierten Leistung von 378,4 Megawatt. Zudem wurden bislang 2.187 Photovoltaik (PV)-Anlagen mit einer Leistung von 352 MW im Landkreis installiert. Darüber hinaus gibt es 49 Biomasseanlagen, die insbesondere für die Wärmeversorgung genutzt werden. Zwar kann die Stromerzeugung zunehmend aus erneuerbaren Energien erfolgen, jedoch sind mit der Sektorenkopplung große Herausforderungen zu bewältigen. „Wasserstoff muss ganzheitlich betrachtet werden, also von der Erzeugung bis zum Verbrauch“, ist Prof. Dr. Johannes Gulden, sicher.

Potenzielle Wasserstoffabnehmer im Landkreis

Im Landkreis finden sich viele potenzielle Wasserstoffabnehmer: Die vorhandene maritime Wirtschaft will langfristig Emissionen reduzieren und der Tourismus hat einen ausgeprägten Nachhaltigkeitsanspruch. Vor allem für den besucherstarke Sommer mit einem hohen Verkehrsaufkommen müssen neue Mobilitätslösungen gefunden werden. Der hohe Anteil der Individualmobilität sowie die größeren Distanzen für ÖPNV und Logistikanbieter stellen die hiesige Mobilität vor besondere Herausforderungen. Ebenso besteht Handlungsdruck, den Wärmesektor, der primär durch fossile Energieträger gekennzeichnet ist, zu dekarbonisieren.

Vision und Zielsetzung

In insgesamt sechs HyStarter-Strategiedialogen wurden Handlungsfelder und eine Vielzahl von Maßnahmenvorschlägen zur Wasserstofferzeugung und -nutzung sowie vorbereitenden Standortentwicklungskonzepten definiert – die Wasserstofferzeugung (aus Wind und Photovoltaik, aus post-EEG-Anlagen, aus Plasmalyse), Wasserstoffnutzung in der Mobilität (Anschaffung von BZ-Bussen im ÖPNV, in regionalen Flotten, landwirtschaftlichen Fahrzeugen und auf der Schiene), Wasserstoffnutzung im Wärmesektor (H2-ready BHKWs zur Gebäudeenergieversorgung, Quartierskonzepte und Integration in Wärmenetze, Alternativen für Gas- und Ölheizung) und Wasserstoffstandortkonzepte für den Fährhafen Sassnitz als künftigen PtX-Pilotstandort, den Seehafen Stralsund als Wasserstoffhafen, den Gewerbestandort Pommerndreieck als Erzeugerstandort und H2-Hub sowie das Bernstein Resort Pütnitz.

Vom „Wollen“ zum „Machen“

Um vom „Wollen“ ins „Machen“ zu kommen, ist es ein weiter Weg. Rechtliche Rahmenbedingungen sind noch immer ein Hindernis, ebenso die vergleichsweise geringen Kosten der fossilen Energieträger, die nach wie vor in Konkurrenz zu den ermittelten Wasserstoffgestehungskosten stehen. Deshalb haben die geplanten Maßnahmen unterschiedliche Prioritäten und Zeithorizonte. Die Arbeiten in der Wasserstoffregion Rügen-Stralsund haben außerdem aufgezeigt, wie wichtig es ist, regionale Akteure auf der Erzeuger- und Verbraucherseite miteinander zu vernetzen und entstehende Projektideen zu begleiten.

Als erste von neun Wasserstoffregionen hat das Konsortium des HyStarters Rügen-Stralsund am 24. März 2021 eine Studie zum Potenzial des Energieträgers Wasserstoff für die Region vorgestellt.