Studium

Spanien, Bilbao - Escuela de Ingenería Bilbao

Corona hält uns nicht auf!

Annika D., Internationales Wirtschaftsingenieurwesen, 7. Semester, Universität des Baskenlandes - Escuela de Ingenería Bilbao, Wintersemester 2020/21

Hinweise zur Studiumssuche

Dass ich im Rahmen meines Studiengangs („Internationales Wirtschaftsingenieurwesen“) einen Teil des Studiums und auch mein Praktikum im Ausland absolvieren werde, stand bereits seit langem fest. Dass jedoch eine weltweite Pandemie diese Pläne (fast) durchkreuzen würde, damit hat niemand gerechnet. Wie ist es also, zu Coronazeiten als ERASMUS-Studentin an eine spanische Hochschule zu gehen und dann auch noch ein Praktikum anschließen zu wollen.

Fangen wir jedoch mit dem Studium an: Den Wunsch, einmal in Spanien zu studieren, verfolgte ich schon seit einiger Zeit. Vor allem wollte ich mein Spanisch auf ein „akademisches Niveau“ heben. Der erste Schritt bestand also im Durchforsten der ERASMUS-Partnerliste unserer Universität. Hier war die Universität des Baskenlandes neben den eher bekannteren spanischen Universitätsstädten (Valencia, Sevilla, usw.) aufgelistet. Der Norden Spaniens wird gern mal als „unentdecktes Juwel“ bezeichnet und da ich bereits den Süden und Teile der Mittelmeerküste kenne, ungern auf Meer verzichte und mein Freund, der mich ins Auslandssemester begleiten wollte, eher kühle Temperaturen als warme Sommer sucht, schien Bilbao die perfekte Wahl zu sein.

Bewerbungsprozess

Der Bewerbungsprozess im Rahmen des ERASMUS-Programms läuft alles in allem sehr transparent ab. Die erforderlichen Bewerbungsunterlagen werden teils von der Hochschule gestellt (Antrag auf Mobilitätszuschuss, Notenübersicht, Studienbescheinigung), teils muss man alte Vorlagen neu überarbeiten (Lebenslauf), ein Motivationsschreiben ist extra zu erstellen. Man wählt innerhalb der Bewerbung 3 Favoriten aus, also eine Prioritätenliste der Hochschulen, an denen man gern studieren möchte. Ich hatte damals sogar nur Bilbao vermerkt, da es neben mir und meinem Freund keine weiteren Bewerber für die Stellen gab. Nach Eingang der Bewerbungsunterlagen erwartet man dann die Zu- oder Absage von Seiten der Hochschule, die bei uns positiv ausgefallen ist.

Vorbereitung

Die meiste Vorbereitungszeit nahm sicherlich die Erstellung des Learning Agreement ein. Hier müssen sich Student*in, ein*e Verantwortliche*r an der eigenen Hochschule sowie an der Gastuniversität einig werden über die Fächerkombination, die im Ausland zu absolvieren ist. Hier stand mir zwar anfangs eine gewisse „Narrenfreiheit“ zu, ich hätte theoretisch alle möglichen Fächer belegen dürfen, die in Verbindung mit den Ingenieur-, Wirtschafts- oder Allgemeinwissenschaften stehen. Leider wurde das durch meine Gastfakultät unterbunden, die mindestens zwei von maximal fünf Kursen an der eigenen Fakultät belegt sehen wollte. Nichtsdestotrotz bin ich heute mit meiner damaligen Wahl sehr zufrieden. Auch die Kommunikation mit den Verantwortlichen in Deutschland und Spanien lief zügig und mit nur wenigen Missverständnissen. Ein anderer wichtiger Punkt in unseren Vorbereitungen bestand im Ausbau unseres Autos. Dieses sollte uns als kleines Campingmobil durch Frankreich und Spanien begleiten. Hätte eine bestimmte Pandemie nicht weiterhin auch das Reisen in Spanien unterbunden, hätten wir das Auto sicherlich auch häufiger für weitere Ausflüge genutzt

Wohnungssuche, Unterkunft

Letztendlich kam es uns aber zugute, dass wir die ersten Nächte noch auf einem Campingplatz an der Atlantikküste verbringen konnten und parallel nach Wohnungen suchten. Bilbao liegt etwa 12km von der Küste entfernt, die Städte am Strand sind jedoch mit dem Metronetz der Stadt verbunden. Die Fahrt dauert dann also in etwa 50 Minuten und kostet so um die 1,30€.

Bei der Wohnungssuche vertrauten wir anfangs dem International Office unserer Gastfakultät. Leider konnte uns da aber nicht geholfen werden, hauptsächlich auch deshalb, weil wir ein Apartment für uns zwei gesucht haben und keine WG. Hier kam uns dann aber Corona dann endlich einmal zugute: Aufgrund des nicht existenten Tourismus sowie einer geringeren Anzahl ausländischer Studierender, war die Wohnungssituation, ob WG oder Wohnung, sehr entspannt. Unsere Wahl fiel auf eine AirBnB-Wohnung im Herzen der Altstadt. Anzumerken ist aber (und darauf sind einige reingefallen), dass es sehr viele Immobilienmakler in Bilbao gibt und fast alle Wohnungen über eine „Inmobilaria“ vermittelt werden. Diese lässt sich die Vermittlung meist mit einer Monatsmiete zggl. IVA, also der Mehrwertsteuer von 21%, bezahlen. Diese Maklergebühr ist vor allem ärgerlich, wenn man nur wenige Monate im Gastland bleibt.

Kultur

Kulturell muss ich auf alle Fälle die Bar- und Restaurantkultur des Landes erwähnen. Mich erfreut es einfach immer wieder, wie nicht nur hier in der Stadt, sondern auch in allen ländlichen Gebieten die Menschen einfach gern und zu jeder sich bietenden Gelegenheit (und solange es durch Corona keine Schließungen gibt) sich auf einen Wein, ein Bier oder einen Café con leche in eine Bar oder Taverne setzen.

Auch ist zu erwähnen, dass sich der Norden und vor allem das Baskenland gern und stark vom Rest Spaniens abgrenzt. Normalerweise hört man immer von den stolzen Katalanen aber auch die Basken sind ein sehr selbstbewusstes Völkchen. Nicht nur die baskische Sprache wird deshalb gepflegt, sondern auch Werte wie Fleiß und Pünktlichkeit besonders hervorgehoben (die den Spaniern ja gern mal stereotyp abgesprochen werden).

Alltag und Freizeit

Zum Glück war mein Alltag geprägt von Vorlesungen, die nicht online, sondern in Präsenz stattgefunden haben. Durch meine Fächerauswahl war das zwar auch mit einem Hin- und Herfahren zwischen den Fakultäten verbunden, aber wenigstens kam ich so regelmäßig unter Leute. Auch lässt sich Bilbao sehr gut zu Fuß oder Rad erkunden. So wurde eigentlich jeder Spaziergang, ob nun für die Uni oder einfach so, zu einer neuen Entdeckungstour. Gerade architektonisch mixt die Stadt verschiedene Stile, Materialien und Oberflächen, was nicht nur am Beispiel des Guggenheim-Museums zu sehen ist. Aber auch landschaftlich brilliert das Baskenland mit der rauen Atlantikküste, an der Sandstrand auf Steilküste und wilde Gesteinsformationen trifft, einigen Nationalparks und insgesamt einer Vielzahl von Wanderrouten für alle die, die nicht ständig in der Stadt sein möchten.

Sprache

Sowohl mein Spanisch als auch mein Englisch wollte ich in meiner Zeit hier in Spanien verbessern. Die Universität bietet glücklicherweise eine Vielzahl ihrer Kurse in beiden Sprachen an, weshalb ich Kurse frei wählen konnte. Letztendlich belegte ich zwei Kurse auf Spanisch und drei auf Englisch, obwohl ich mittlerweile sehr sicher bin, dass ich auch noch mehr Kurse auf Spanisch hätte belegen können. Neben diesen beiden Sprachen ist aber auf alle Fälle noch das Baskische (euskera) hervorzuheben. In meinen ersten Wochen war ich immer wieder erstaunt, welchen hohen Stellenwert diese Sprache, von der man immer noch nicht weiß, wo sie eigentlich herkommt, hat. Selbst in der Uni wurden manche Hinweisschilder nur auf Baskisch ausgehangen, in der Stadt ebenso. Anscheinend werden auch in der Universität mehr Fächer auf Baskisch als in Englisch gelehrt.

Umfeld

Leider ist zu dem Punkt zu sagen, dass es aufgrund von Corona-Kontaktbeschränkungen doch sehr schwierig war, neue Kontakte zu knüpfen. Sicherlich konnten wir innerhalb der ERASMUS-Gruppe einige Freundschaften schließen, gerade Kontakte zu „Einheimischen“ blieben jedoch rar und beschränken sich bis heute auf ein paar Kommilitonen, unseren Vermieter und unseren Stammfleischer.

Studium und Praktikum

Das Studium in Spanien ist bekanntlich „verschulter“ als das an vielen deutschen Hochschulen. Man musste sich also erst einmal daran gewöhnen, wieder (wenige) Hausaufgaben vorzubereiten oder Klausuren unter dem Semester zu schreiben. Alles in allem war es aber sehr gut, mal wieder parallel zum Studium sich den Stoff anschauen zu müssen, da man so das Lernen nicht bis in die letzten Wochen vor Prüfungszeit vor sich herschob. Zum Niveau oder Schwierigkeitsgrad, auch jetzt nach bestandener Prüfungszeit ist zu sagen, dass der Anspruch vor allem an der Maschinenbaufakultät äußerst hoch war und ist.

Auch ein Praktikum ist in meinem Studiengang obligatorisch vorgesehen. Dieses werde ich hier in Bilbao durchführen, die Suche danach war nicht einfach. Glücklicherweise habe ich eine Initiativbewerbung an das richtige Unternehmen geschrieben, meine Dreisprachigkeit kam mir sehr zugute. Das Praktikum wird nicht durch ERASMUS gefördert.

Infrastruktur

Auch aufgrund des autonomen Status des Baskenlandes, kann Bilbao gut in die eigene Infrastruktur investieren. Das öffentliche Nahverkehrsnetz ist sehr gut ausgeprägt, viele Busse fahren elektrisch. Auch hervorzuheben sind die Bilbao Bizis, also Pedelecs, mit denen man für 25€ im Jahr durch den Großteil der Stadt fahren kann. Die medizinische Infrastruktur konnte ich während meiner Corona-Infektion kennenlernen. Hier wurde ich fürsorglich umsorgt.

Fazit

Alles in allem war der bisherige Aufenthalt im Baskenland sehr erfolgreich, vor allem in die Stadt konnte ich mich verlieben und freue mich, jetzt noch ein halbes Jahr hierbleiben zu dürfen. Ich hoffe natürlich, dass sich die Pandemie soweit beruhigt, dass ich ein Hobby in Angriff nehmen kann und somit auch neue Gruppen kennenlerne.