Wasserstoff und Wind für Vorpommern-Rügen

Martin Hayduk ist neu im Forschungsteam am Institut für regenerative Energiesysteme (IRES) der Hochschule Stralsund und sorgt für noch mehr Power: Er spricht sich für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus und berechnet Speicherkosten für die Wasserstoff-Energie.

Tobias Hieltscher/Hochschule Stralsund

Herr Hayduk, was haben Sie mit Wasserstoff und Wind zu tun?
Als neuer Projektmitarbeiter arbeite ich an einem Planungstool, das Speicherkosten berechnet und die 3D-Struktur von Offshore-Windparks greifbar macht. Ich forsche in Stralsund am Institut für Regenerative Energiesystem zur Energiespeicherung und -lagerung mit Wasserstoff.

Welche Aufgaben haben Sie am IRES und was ist Ihr Beitrag zur Energieversorgung mit regenerativen Energiesystemen?
Im Projekt „Offshore Windenergiesysteme für die Wasserstoffversorgung“ untersuche ich marktreife Technologien für die Herstellung und Speicherung von grünem Wasserstoff im Megawatt-Bereich. Um diese Technologien im Offshore-Einsatz erfolgreich nutzen zu können, müssen sie im Vorfeld geprüft werden. Diese Prüfungen führe ich hier am IRES durch. Unser Ziel ist es, die technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um unsere Energiebedarfe in Zukunft zu 100% regenerativ decken zu können.

Was müssten für einen breit gefächerten Einsatz erneuerbarer Energien in Deutschland denn noch geschaffen werden?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist als ein zentrales Steuerinstrument für den Ausbau regenerativer Energien grundlegend. Leider stehen die Ziele des EEGs oft im Konflikt mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie der Wirtschaft oder dem Verkehrswesen. Deshalb müssen oft Kompromisse eingegangen werden, die den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien verzögern. Wir arbeiten daran die Technologien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen. Solange aber fossile Energieträger zu konkurrenzlos billigen Preisen angeboten werden, ohne dabei die Auswirkungen ganzheitlich einzukalkulieren, kann sich die Wasserstoffwirtschaft nur schwer entwickeln. Um diese Preisdifferenz zu kompensieren, müssten die CO2-Abgaben deutlich steigen und Anlagen zur Elektrolyse sowie Pyrolyse vollständig von der EEG-Umlage befreit werden.

Sie sagen also, dass es prinzipiell möglich wäre, schon heute einen Großteil des Energiehaushaltes unseres Landes regenerativ zu decken?
Sehr richtig. Laut Umweltbundesamt hatte Deutschland im Jahr 2018 einen Energieverbrauch von insgesamt 2.499 TWh. Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch betrug im Jahr 2020 19,6%. Mit einem Flächenpotenzial von 13,8% der Landesfläche und einer installierbaren Leistung von 1.190 GW könnte Deutschland ca. 2.900 TWh/Jahr allein über die Windenergie abdecken. Mit der entsprechenden Speichertechnologie könnte aus technischer Sicht unser gesamter Energiebedarf auf Basis von regenerativen Energieerzeugern erfolgen.

Hat das IRES mit Ihnen neue Power für den Wasserstoff oder doch eher für die Windenergie gewonnen?
Wasserstoff- und Windenergie sind essenziell für die Energiewende in Deutschland. Mein Forschungsinteresse liegt besonders bei der Windenergie, denn hier ist noch soviel ungenutztes Potenzial. Denken wir nur einmal an die Kraft des Windes bei Sturm. Weht ein starker Wind, kann unser Stromnetz diese Energie kaum aufnehmen. Immer wieder werden Anlagen abgeschaltet, weil keine Speichermöglichkeit für die so gewonnene Energie vorhanden ist. Wertvolle Energie kann also gar nicht erst genutzt bzw. eingespeist werden. Das trifft besonders auf die Energieerzeugung durch Offshore-Windparks zu. Die Betreiber bekommen aber trotzdem ihr Geld von der EEG. Das muss sich ändern. Durch den Einsatz von Wasserstoff als ökologisches Speichermedium könnte Energie genutzt und für den späteren Bedarf zwischengespeichert werden. Wasserstoff wäre somit die Schnittstelle bei Überproduktion und Abregelung von Windenergieanlagen.

Aus diesem Grund wird also die Wasserstofferzeugung in ihrem Projekt fokussiert?
Richtig. Die Wasserstoff-Herstellung ist wichtig, da mit diesem Energieträger ein erheblicher Beitrag zur Emissionsreduzierung von Treibhausgasen erfolgen kann, denn Wasserstoff ist ein ideales Medium, um die Energie emissionsfrei zu speichern, die wir durch Windkraft gewonnen haben. Denken wir nur einmal daran, wie viel Fläche uns auf See zur Verfügung steht, um Windenergie zu nutzen und wie wenig Windenergieanlagen an Land in den letzten Jahren realisiert wurden. Natürlich müssen wir das Ökosystem Meer nachhaltig mitdenken, in das wir durch den Bau von Offshore-Windparks eingreifen. Hierbei muss geprüft werden, welche Technologie umweltschonend zum Einsatz kommen kann und wie viele Anlagen verträglich sind.

Was fasziniert Sie an den regenerativen Energien?
Mit natürlichen Energiequellen könnten wir unseren Verbrauch emissionsfrei abdecken. Wir müssen sie nur nutzbar machen. Dafür braucht es interdisziplinäre Forschungsergebnisse und regionale Potentialanalysen. Ohne die Forschungsergebnisse des Maschinenbaus und die der Wirtschaft können kaum nachhaltige und praxistaugliche Aussagen zur Realisierung von Energieprojekten gemacht werden. Die Forschungsarbeit mit und an regenerativen Energien bündelt daher das Know How von Praktikern und Forschern in einem zukunftsweisenden Bereich, der für die gesamte Bevölkerung und den Alltag relevant ist.

Warum haben Sie sich für Deutschland und das IRES entschieden?
Ich habe bereits während meines Studiums am IRES gearbeitet und so mein Wissen mit neuen Technologien stetig erweitert. Zudem hat mich das Projekt in dem ich nun tätig bin gereizt. Einen Beitrag leisten zu können, um die regenerative Energieerzeugung voranzutreiben und für jedermann nutzbar zu machen, haben mich überzeugt. Zudem lieben meine Partnerin und ich die Region rund um Stralsund und Vorpommern-Rügen.

Würden Sie sich selbst als einen Visionär bezeichnen?
Definitiv! Ich habe schon als Kind davon geträumt, Energie für meine Zwecke nutzbar zu machen. Als ich 26 Jahre alt war habe ich mit der Installation einer 17,48 kWp Photovoltaik-Anlage begonnen das Haus meiner Eltern zu 65% unabhängig vom Stromnetz zu machen. Später folgten weitere Veränderungen wie eine Windenergieanlage mit 10 kW Spitzenleistung und die Integration eines Energiespeichers über die ich eine Autarkiequote von 90% erzielen konnte. Aus meiner Zeit als Hubschrauberelektroniker weiß ich zudem, wie wichtig es ist, Redundanzen, also Sicherheiten, zu schaffen: Fällt ein System aus, übernimmt ein anderes die Aufgabe und verhindert so, dass meine Eltern im Dunkeln sitzen. So können auch Haushalte mit regenerativen Erzeugern und Speichern ihren Beitrag zur Netzstabilisierung leisten. Unterschiedliche Energieerzeuger und -verbraucher können so miteinander kombiniert werden, dass wir zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage gelangen.